Spirituelles Hundefutter

Schon einmal was von "Barfen" gehört? Nein? Ich erklär es.

Barfen ist nicht eine von vielen Methoden seine Hunde zu ernähren. Nein! Barfen heißt, einer Sekte mit vielen Subdenominationen anzugehören. "Barf" ist ein Akronym umstrittener Herkunft, eine von vielen Erklärungen lautet "Biologically Appropriate Raw Food" und das englische Verb "to barf" übersetzt man am besten als "kotzen" und das ist es, was mir dazu zuerst einfällt.

Richtige Barfer verwenden einen Großteil ihrer Lebenszeit auf Hundefutter, das Herbeischaffen seiner Komponenten, seine Zusammenstellung und Zubereitung. Die Relation zwischen Fleischanteil und Obst- und Gemüsepampe ist vorgeschrieben, ebenso die Relation zwischen Obst und Gemüse in der Obst- und Gemüsepampe. Ob man Obst- und Gemüsepampe mit dem Fleisch oder separat serviert, ist ebenfalls umstritten. Es kommt ja nicht in denselben Magen. Dann gibt es eine Fraktion, die leugnet, dass man Obst und Gemüse überhaupt zu Pampe verarbeiten muss und nennt das "die Hackerlüge" oder so ähnlich. So etwas wird von denen ernster genommen, als Holocaustleugnung im richtigen Leben.

Auch der Ölanteil im Futter ist auf's Gramm genau vorgegeben und über die Frage, ob Hunde Salz, Cerealien oder Milchprodukte brauchen, entstehen Grabenkämpfe. Lachs wird gerne genommen, mein sehr geschätzer Fleischlieferant hat Kanguruh- und Kamelfleisch im Angebot und Quark mit Ananas und Honig gilt als beliebte Zwischenmahlzeit für Fifi.

Ich bin niemand, der allzuviel Schlaf über die armen Negerkinder in Indien verliert, aber ich finde, irgendwann wird es obszön.

Schluss mit lustig ist auch zum Beispiel, wenn "natürliche" Mittel als Ersatz für herkömmliche Wurmkuren angepriesen werden. Und wenn ich "Meine Tierärztin sagt auch ..." oder gar "Meine Homöopathin ..." lese, breche ich die Lektüre ab. Wir wissen, dass Frauen nur allzu gerne auf der Kuschel- statt auf der Faktenschiene fahren und sollten DoppelXchromosomenträgerinnen daher zuerst einmal grundsätzlich mit gesunder Misogynie betrachten.

Das Spannendste aber ist die Sache mit den Kräutern. Es gibt - ja wirklich - Bücher darüber und sogenannte Barfshops verdienen sich dumm und dämlich daran oder an den vielen exotischen Ölen, dem Muschelmehl und den Algenkonzentraten, die Fifi alle gut tun. Allerdings sind die zur Ergänzung der Nahrung notwendigen Dinge wie Kräuter, und Öle in den "Barfshops" deutlich teurer, als in der (ja wirklich!) Apotheke oder im gehobenen Lebensmittelhandel. Hagebuttenschalen braucht man auch nicht, man kann die Früchte sammeln, wenn man mit Fifi unterwegs ist. Um zu dieser Einsicht zu kommen, muss man sich allerdings die Mühe machen, Preise zu vergleichen, aber dazu hat man wohl keine Zeit, weil man ist ja voll damit ausgelastet, "seine Homöopathin" zur reichen Frau zu machen.

Ein 100 l Gefrierschrank ist nichts, die Blutwerte werden dauernd (aber auch DAUERND) untersucht und der Futterplan den Ergebnissen entsprechend angepasst. Tierärzte müssen schließlich auch leben, obwohl sie ja eigentlich von nichts Ahnung haben.
Ich suche aber immernoch nach Erklärungsmöglichkeiten.
Und glaube nicht, dass meine Süße ein wirkliches Nierenproblem hat.
Bei mir hatte die Geschichte auch ein gutes: ich werde sie beim nächsten Blutbild mal auf alle in Frage kommenden Reisekrankheiten prüfen lassen. (Ist ja ne kleine Rumänin. :wink:)
Das entspricht, bis hin zum neckischen :wink:, so etwa dem intellektuellen und emotionalen Niveau des Durchschnittsbarfers.

Klar, es besteht in unserer von der Industrie geprägten Wohlstandsgesellschaft eine Sehnsucht nach "Antworten" auf alle möglichen Dinge und eine scheint die Natur (oder was auch immer man darunter versteht) zu geben. Bio ist gut! Spiritualität, solange sie nichts mit irgendeiner christlichen Kirche zu tun hat, ist in. Das gilt nicht nur beim Hundefutter. Wölfe, die heidnische Gottheit der Spritituell-Naturbesoffenen, sollen wieder ihren Platz in unserer dichtbesiedelten Kulturlandschaft erhalten und vergiss die bitteren Konsequenzen. Der Name der Jäger, die sich bemühen, das Gleichgewicht der Natur in Balance zu halten, ist in weiten Kreisen Dreck - Tiere töten geht garnicht - und das geht hin bis zu Angriffen auf ihre physische Integrität (Jäger töten geht sehr wohl) und die ihres Eigentums.

Sie sind nicht spirituell. Sie tun nur so.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich "barfe" meine Hunde auch. Vieles an dem Konzept leuchtet mir ein, und ich halte mich an das, WAS mir einleuchtet. Mir leuchtet zum Beispiel ein, dass es nicht gut sein kann, wenn man sich nur von Tütensuppen ernährt, und warum soll das für Hunde anders sein. "Barfen" geht auch unaufwändig, macht Spaß und ist weit weniger kostenintensiv als hochwertiges Dosen- oder Trockenfutter (wobei ich die gesundheitlichen Risiken von auch hochwertigem TroFu - Stichwort "Tütensuppen" - für den Hund hier mal weglasse), und noch mehr, wenn man sich die Mühe macht, alternative Bezugsquellen aufzutun. Der Metzger am Ort schlachtet vielleicht noch selbst ("Abfall" wie Schlundfleisch, Knorpeliges oder Innereien sind eh wertvoller und die Hunde mögen es lieber), man kann sich im Lebensmittelhandel überreifes Obst (das eh besser für die Hunde ist) erbitten oder für den Pflanzenanteil auch mal Brennnesseln, Hagebutten, Ampfer oder Löwenzahnblätter sammeln. Bei ALDI gibt es eine Kohlrabi für 99 Cent und man kann so viel "Grün" (das auch das Beste am Gemüse ist) mitnehmen, wie man will. Aber der Teufel soll mich holen, sollte ich meine Hunde je mit Algenmehl, Knoblauch, Lachs, Weißfisch oder anderen Dingen, die nichts mit der Lebenssituation von Urvater Wolf zu tun haben (um ehrlich zu sein, ganz selten mal Fisch als "Schmankerl), oder sogar (Knoblauch!) bedenklich sind, belästigen.

Ich bin katholisch. Spirituell brauch ich nicht.