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Ein allzu vergessener Künstler

Die erzgebirgische Volkskunst ist eine lebendige Tradition. Nahezu jeder Ort im Erzgebirge hat eine Schnitzstube, ein Museum oder einen Hersteller von Räuchermannerln, von Bergleuten in ihren traditionellen Uniformen, Weihnachtskrippen oder Nussknackern. Besonders die wunderschönen Weihnachtspyramiden sind weit über die Grenzen des Erzgebirges hinaus bekannt.


Gottfried Reichel (*31. Mai 1925 - 2. Oktober 2015) war ein Bildschnitzer aus dem Erzgebirge, der den Rahmen seiner heimischen Volkskunst sprengte.

Gottfried Reichel stammte aus dem Erzgebirgsdorf Pobershau, und lernte so schon als Kind die Schnitztradition seiner Heimat kennen. Seine Vorfahren waren Bergleute und Handwerker, er selbst war Autodidakt.

1943 meldete er sich freiwillig zur Bordfunkerausbildung an der Ostfront, doch als die im Spätsommer 1944 beendet war wurden Bordfunker nicht mehr gebraucht. Wiederum meldete er sich freiwillig, diesmal zu den Fallschirmjägern - auch die gab es nicht mehr. So wurde der junger Pobershauer einer anderen - wie man damals sagte - Eliteeinheit zugewiesen: Der Panzerdivision Totenkopf, einer Einheit der Waffen-SS. Im österreichischen Linz endete der Zweite Weltkrieg für ihn. Er kam in englische Kriegsgefangenschaft.

Von dieser Zeit sagt er heute: "Ich fand Menschen, die mich einließen und mit denen ich ins Gespräch kam. Die dabei gemachten Erfahrungen und Erlebnisse haben mein Leben völlig umgekrempelt. Es war eine Lektion in Menschlichkeit und Demokartie, die mich bis heute prägt." Diese Zeit konfrontierte Gottfried Reichel auch mit den Verbrechen der Nazis. Selbst stellte er sich immer wieder die Frage, "was wäre gewesen, wenn man mich statt zur Waffen-SS zur SS nach Auschwitz geschickt hätte."

Nach der Heimkehr 1948 wurde Gottfried Reichel "Neulehrer", aber er war den neuen Machthabern ideologisch nicht genehm. Bereits 1949 kam die fristlose Kündigung. In den folgenden Jahren bestritt er seinen Lebensunterhalt als Buchhalter.

In dieser Zeit der inneren Leere entdeckte er das Schnitzen für sich und entwickelte nach konventionellen Anfängen seinen ausdrucksstarken Stil, der an Ernst Barlach und Käthe Kollwitz erinnert.

Gottfried Reichel verkaufte seine Figuren nicht.

Weil er zu DDR-Zeiten unerwünscht war, blieb Reichel lange Zeit weitgehend unbeachtet. 1974 war die erste Ausstellung in der Dorfkirche Burkhardswalde bei Meißen, der 40 weitere Ausstellungen in evangelischen Kirchen folgten, nach der Wende auch in Rathäusern, Hotels und Museen, schließlich auch in den Niederlanden sowie in Nord- und Süddeutschland.

Biblische Themen hatte der Schnitzer erst zu Beginn der 50er Jahre aufgegriffen. Er übernahm die Leitung des Jungmännerkreises der evangelischen Kirchgemeinde. "In der gemeinsamen Bibelarbeit haben wir erfahren, dass das keine alten Geschichten sind. Wir fanden uns darin wieder." Aus der Beschäftigung heraus - dem "Hineinknien in die Schrift", wie Reichel sagte - entstanden die ersten biblischen Figuren.

Im Jahr 1997 wurde mit Unterstützung von EU-Mitteln eine dauerhafte Ausstellung für über 300 seiner Skulpturen in Pobershau errichtet. "Die Hütte" beherbergt heute sein Lebenswerk.


Um der Furcht vorzubeugen, dass das damals Geschehene niemand mehr wahrnehmen will, setzte sich Gottfried Reichel in seiner Kunst immer wieder mit dem Holocaust auseinander und setzte ihn neben biblische Themen, so bereits in den siebziger Jahren unter dem Thema "Deportation nach Babylon". Viele dieser Figuren erscheinen zeitlos, ganz vorn läuft ein Junge mit erhobenen Händen. Er wurde nach dem weltbekannten Originalfoto gestaltet. Die Bewacher sind deutschen Soldaten nachempfunden.

2003 wurden Figuren dieser Gruppe der Gedenkstätte Yad Vashem geschenkt.



In den Jahren 1995 bis 97 entstand dann die eindrucksvolle Figurengruppe "Menschen im Warschauer Ghetto" nach Fotografien des deutschen Soldaten Joe J. Heydecker, die dieser unter Lebensgefahr aufgenommen hatte. Jede einzelne Figur spiegelt ein ganz persönliches Schicksal wieder, keiner hatte eine Zukunft. Gottfried Reichel wurde gefragt, was er beim Schnitzen dieser Figuren empfunden habe: "Es war nicht einfach, jedes dieser Kinder hätte ja auch mein Kind sein können."







Ende des vergangenen Jahrtausends besuchte eine Gruppe aus Chemnitz stammender Juden Pobershau. Eine der Holocaust-Überlebenden meinte: "Man braucht den Figuren nur noch Atem einzuhauchen, dann leben sie."

Das Medium Gottfried Reichels war Lindenholz.

Der Tanz um das Goldene Kalb.
Schutzbedürftig.
Die Sünderin
Danach arrbeitete Reichel noch fast 15 Jahre. Dieses Spätwerk war als Wanderausstellung unter dem Titel "Biblische Geschichte in Holz" in Deutschland unterwegs und wurde in über 30 Orten gezeigt.

Zum Abschluss (ich lebe in Pobershau) ein paar grottenschlechte Aufnahmen aus meinem Billighandy (sie wären aber, um ehrlich zu sein, mit einer teuren Kamera aufgenommen kaum besser geworden).

Der verlorene Sohn.

Jeremiah.

Der gute Samariter.

Auf der Suche nach einer Herberge.
Im Oktober 2015 im Alter von 90 Jahren verstarb Gottfried Reichel. Sein Grab befindet sich in Marienberg.



Meine wichtigste Quelle: TAG DES HERRN, Artikel von 1999.

Informationen: "Die Hütte", Rathausstraße 10 in 09496 Pobershau, Tel. (0 37 35) 6 25 27.

Literaturhinweis: Joachim Schöne: "Dieses Holz lebt - Das Lebenswerk des Schnitzers Gottfried Reichel"; Druck- und Verlagsgesellschaft Marienberg, ISBN 3-931770-25-7; 34.90 Mark

Joe J. Heydecker: "Das Warschauer Ghetto"; Fotodokumente eines deutschen Soldaten aus dem Jahr 1941; DTV-Taschenbuchverlag, ISBN 3-423-30724-2; 16,90 Mark

Linke waren eigentlich Nazis - Ein Beispiel

Bundesarchiv, Bild 146-2003-0037/
CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de.
Zum 74. Todestag von Erich Ohser.

Wer war Erich Ohser?

Kurt Erich Ohser wurde am 18. März 1903 in Untergettengrün, Amtshauptmannschaft Oelsnitz im Vogtland geboren.

Als Erich sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Plauen. Dort absolvierte er eine Schlosserlehre und studierte anschließend, gegen den Willen der Eltern, von 1921 bis 1926 in Leipzig an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe. Nebenbei arbeitete er bei der Neuen Leipziger Zeitung, wo er von seinem Redakteur Erich Knauf mit Erich Kästner bekannt gemacht wurde.

Die Freundschaft der "Drei Erichs" begann.

Nach dem Studium wurde Ohser als Buchillustrator (unter anderem illustrierte er die Gedichtbände Kästners) und als Karikaturist (etwa bei der SPD-Zeitung "Vorwärts") bekannt. Mit seinen Karikaturen von Hitler und Goebbels zog er den Hass der Nazis auf sich. Gemeinsam mit Kästner ging er auf Reisen nach Paris, Moskau und Leningrad, die ihn in Bezug auf den Kommunismus desillusioniert zurückließen. 1930 heiratete er seine Studienkollegin Marigard Bantzer, der gemeinsame Sohn Christian kam im Jahr darauf zur Welt.

Die Machtübernahme bedeutete das Aus für den politischen Zeichner Ohser. Sein Antrag auf Aufnahme in die Reichspressekammer wurde abgelehnt, was einem Berufsverbot gleichkam. Von da an musste seine Frau die Familie ernähren. Ende 1934 bewarb sich Ohser bei der Berliner Illustrirten Zeitung, die einen Comic – ähnlich der Micky Maus – suchte, mit einem Entwurf von Vater und Sohn. Ohser durfte nicht unter seinem Namen veröffentlichen, er erhielt erst den Zuschlag, nachdem er sich das Pseudonym e.o.plauen (seine Initialen und der Name seiner Heimatstadt) zugelegt hatte, und unter der Auflage, sich nicht politisch zu betätigen. Im Dezember 1934 kam die erste Bildergeschichte von "Vater und Sohn" heraus, die dann drei Jahre lang wöchentlich in dieser angesehenen und auflagenstarken Zeitschrift erschien. Der Verlag veröffentlichte auch drei Buchausgaben, die sämtlich erfolgreich waren. Danach durfte Erich Ohser weiter arbeiten und wurde 1940 Mitarbeiter der Wochenzeitschrift "Das Reich".

Erich Ohser mit Sohn Christian (picture-alliance / dpa/rf).








Dann kam der Krieg. Wie ging es weiter?

"Ein Nachbar denunzierte Ohser ... im März 1944, die nationalsozialistische Geheime Staatspolizei ... verhaftete ihn zusammen mit seinem Freund Erich Knauf. Sie wurden der "Wehrkraftzersetzung und landesverräterischen Feindbegünstigung" beschuldigt." (Elke Schulze, Ein deutsches Künstlerschicksal: e.o.plauen)

Hans Fallada schreibt in einem Gefängnistagebuch über e.o.plauen, mit dem er befreundet war. Als Fußnote des Herausgebers heißt es: "Erich Ohser und sein Freund Erich Knauf wurden von dem Hauptmann Bruno Schultz und dessen Frau Margarete bei der Gestapo denunziert." (Hans Fallada: In meinem fremden Land, Berlin 2017, S. 314f.)

Exkurs über Erich Knauf:
Nach der Machtergreifung und der Gleichschaltung der Büchergilde 1933 arbeitete Knauf als freier Schriftsteller und Feuilletonredakteur beim 8-Uhr-Abendblatt. Nach einer Kritik über eine Opernaufführung, die von Hermann Göring protegiert worden war, wurde er 1934 verhaftet, für einige Wochen in den Konzentrationslagern Oranienburg und Lichtenburg inhaftiert und aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausgeschlossen.

Knauf war daraufhin freiberuflich in der Werbung tätig und wurde 1936 zunächst zweiter Pressesprecher, dann Pressechef der Filmproduktionsgesellschaft Terra Film. Hier betreute er vor allem Produktionen mit Heinz Rühmann. Er konnte sich vom Kriegsdienst freistellen lassen und schrieb ab 1941 Texte für Schlager von Werner Bochmann. Das bekannteste ist "Heimat, deine Sterne" aus dem Film "Quax, der Bruchpilot". In den 1930er Jahren hatte Knauf eine Biografie über Heinrich Zille geschrieben, die erst 2015 veröffentlicht wurde.

Im November 1943 wurde der ausgebombte Knauf in Wilmersdorf zusammen mit Erich Ohser bei einem Arzt untergebracht. In einem Luftschutzbunker während einer Bombennacht wurden sie von Bruno Schultz, einem Nachbarn und Hauptmann bei der Abteilung Wehrmachtpropaganda beim Oberkommando der Wehrmacht, wegen politischer Witze am 22. Februar 1944 denunziert. Knauf wurde am 28. März 1944 verhaftet und am 6. April 1944 von Roland Freisler am Volksgerichtshof "wegen defätistischer Äußerungen im Luftschutzkeller" zum Tode verurteilt. Heinz Rühmann setzte sich ohne Erfolg bei Joseph Goebbels für ihn ein. Knauf wurde am 2. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg enthauptet. Die der Witwe Erna Knauf in Rechnung gestellten Verfahrenskosten inklusive Hinrichtung betrugen 585,74 Reichsmark. Erich Kästner schrieb über diese Rechnung den kurzen Prosatext "Eine unbezahlte Rechnung".


1937 hatte Erich Ohser seine "Vater und Sohn"-Serie eingestellt. Es hieß, weil sich allzu viel andere Karikaturisten darüber lustig gemacht hätten. Was auch immer. Neid ist die Klammer der deutschen Gruppenseele und ein politisch Belasteter wird besser vorsichtig gewesen sein müssen. 



Vater und Sohn gingen in den Himmel. Von dort leuchteten sie, Vater als Mond und Sohn als Stern, auch weiter in unzählige Kindheiten und auch Erwachsenenleben hinein.

Sieben Jahre später folgte Erich Ohser ihnen. Er nahm sich in der Nacht vor seinem Prozess am Volksgerichtshof das Leben.

(6. April 2018)

Eine verborgene Perle Westfalens


Das Wasserschloss Senden liegt südlich von Münster/Westfalen zwischen der Stever, die teilweise ihre Gräfte speist, und dem Dortmund-Ems-Kanal.

Schloss Senden um 1860, Sammlung Alexander Duncker
Das Herrenhaus wurde Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet, danach erfuhr das Schloss bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder An- und Umbauten. So repräsentiert es mit seinem Park heute unterschiedliche Stilepochen. Besonders erwähnenswert ist der Dreistaffelgiebel von 1499: er ist der älteste erhaltene Giebel dieser Art in Westfalen.

Der ursprüngliche Besitzer, die Familie Droste zu Senden, verkaufte das Schloss nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis zum Jahrhundertwechsel wurde es auf verschiedenste Weise genutzt, zuletzt als Restaurant. Als dieses 1999 geschlossen wurde, schien das Schloss dem Verfall preisgegeben.

Im Jahre 2015 erwarb der Verein Schloss-Senden e.V. das Schloss und seitdem erwacht es zu neuem Leben. Es wird nun schrittweise saniert und bietet schon jetzt Raum für Veranstaltungen aus Kunst und Kultur.

Genauere Informationen erhalten Besucher bei den regelmäßig am zweiten Sonntag des Monats um 15 Uhr stattfindenden Führungen.

Luftbild (2014)


Ganz herzlicher Dank geht an Bettina Knust für die Informationen!

Der Webauftritt des Freundeskreis Schloss Senden e.V.

Aus der Ur- und Frühgeschichte der Lügenpresse

Dieser SPIEGEL-Artikel (in Nr. 22 von 1952) wird wahrscheinlich nur wenige, außer den Pferdeleuten, die sich hierhin verirren mögen, interessieren. Mir dient er vor allem als Beispiel für die Tradition der unredlichen journalistischen Arbeit des SPIEGEL im Besonderen und für die Fragwürdigkeit von "Enthüllungsjournalismus" allgemein.

Ich hoffe, ich habe das auch für Nicht-Pferdeleute lesbar und vielleicht sogar interessant aufbereitet, denn interessant ist es allemal und beileibe nicht nur aus hippologischer Sicht.

Hintergrund ist das katastrophale Abschneiden der deutschen Springreiterequipe beim Preis der Nationen in Rom 1952, der erste, an dem deutsche Reiter nach dem Krieg nach einer Zwangspause von 11 Jahren wieder teilnehmen durften. Der SPIEGEL macht sich hier zum Sprachrohr eines (zweifellos eminenten) Züchters von blutgeprägten Pferden. Er wettert gegen die "dicken, schweren Warmblüter", mit denen die Deutschen beritten waren und gegen den damaligen großen alten Mann der deutschen Reiterei, vom SPIEGEL hämisch-witzisch "Napoleon des Turniersports" genannt, Oberlandstallmeister Dr. Gustav Rau, der seinerzeit für das Olympiadekommittee Pferde ankaufte.

Historischer Hintergrund: Nach dem Krieg und dem Zusammenbruch der Offizierstradition, wurden die Reiter aus den Kreisen der ländlichen Reiterei rekrutiert. Zweifelsohne ein wichtiger Wendepunkt, der völlig andere Umstände in der Ausbildung von Reiter und Pferd, sowie eine ganz neue Organisation erforderte.

Exkurs: Dass in diesem Artikel ein junger Reiter, wegen seines Mangels an Tischmanieren und weil Vadda ihm einen Smoking gekauft hatte (den er wohl eher NICHT bei der Papstaudienz getragen haben dürfte, sofern diese nicht abends stattfand, aber die Pointe war wohl zu gut für den SPIEGEL-Schmock, um ihr zu widerstehen - ein Bauer im Smoking, wo gibt's das denn?) lächerlich gemacht wird, ist unerträglich. So etwas wurde dann bei diesem Qualitätsmedium Tradition.

Ja, was da in Rom abgelaufen war, war in der Tat katastrophal, beschämend, entwürdigend für eine alte Reiternation, die einmal die Turnierplätze der Welt, mal weniger, meist mehr, beherrscht hatte. Für den eminenten Züchter blutgeprägter Pferde, war die Sache klar:
Die großen Reiter des Auslandes reiten "schnell" mit dem Kopf und den Augen. Sie siegen meist schon kurz nach dem Start und vor dem Ziel, weil sie fliegend durch die Startlinie gehen und weil sie wie zu einem Finish nach dem letzten Hindernis auf den letzten Metern aufdrehen. Jegliche Möglichkeit, unterwegs schneller zu reiten, nutzen sie, schneiden die Kurven, springen manchmal auch schief, gehen fliegend über Hoch-Weitsprünge und in großer Fahrt in die Kombination.
Das alles erfordert höchstens mittelgroße, edle schnelle Pferde mit viel Blut, viel Herz und Intelligenz, Pferde mit bedeutendem Galoppiervermögen und großer Springroutine. Die deutschen Pferde in Rom aber waren teilweise zu schwer oder zu heftig.
Und:
Das ist ... die Schuld des Oberlandstallmeisters a. D. Gustav Rau, der in der Hauptsache allein über den Ankauf der Pferde für den Stall des DOK entschied und überwiegend schwere Warmblüter ankaufte. "Gegen den Typ des in Warendorf vertretenen Springpferdes für moderne Anforderungen haben deutsche Fachleute wiederholt Bedenken geäußert." Im Ausland werden hochgezüchtete Springpferde und Vollblüter bevorzugt.
Thiedemann und sein 13-Zentner-Moritz Helsinki 1952 auf dem Weg zur Bronzemedaille.
Und jetzt kommt es: Schon nur zwei Monate später, bei den Olympischen Spielen in Helsinki, erritt sich der Landwirt und Ex-Unteroffizier der Kavallerieschule Hannover Fritz Thiedemann auf dem Holsteiner Meteor (dessen Spitzname, notabene, "der Dicke" war), auch Thiedemann und Meteor hatten der Katastrophenequipe von Rom angehört, die Bronzemedaille. Meteor hatte, bevor man sein Springtalent entdeckte und er noch Moritz hieß, bei einem Bauern den Wagen gezogen. Die deutsche Mannschaft (zwei der drei Reiter waren in Rom dabeigewesen) landete auf einem ehrenvollen 6. Rang.

Der ehemalige Moritz stieg im Laufe der Jahre zum erfolgreichsten Springpferd seiner Generation weltweit auf.

Die Bronze-Dressurmannschaft. VLNR Heinz Pollay (der doppelte Goldmedaillist 1936) mit Adular, Ida von Nagel mit Afrika und Fritz Thiedemann mit Chronist XX. Adular und Afrika waren hoch im Blut stehende Warmblüter von dem Trakehner Oxyd, Chronist XX war ein Vollblüter. Thiedemann erritt sich einen ehrenvollen 12. Rang.
Interessante Abschweifung: Fritz Thiedemann erritt sich mit der Dressurmannschaft in Helsinki eine weitere Bronzemedaille, eine Leistung, die lediglich ein Schwede 1920 vorweggenommen hatte, danach niemand mehr, heute wäre sie undenkbar. Die Pferde wurden übrigens von dem eminenten Kritiker der "dicken, schweren" Warmblüter, auf den sich der SPIEGEL berufen hatte, gezüchtet und gestellt und waren, selbstverständlich, blutgeprägt. Später sah man dann auch, nachdem statiöse Pferde in diesem Sport in Mode gekommen waren, im Dressurviereck eher schwere, dicke Warmblüter als leichte, elegante Blutpferde, etwas, das beweist, dass die Wahl des Pferdes immer eher vom Zeitgeschmack, als von der Leistung abhängig war. Dressur und Springen konnten (und können) nämlich beide.

Übrigens erritten sich in Helsinki die deutschen Vielseitigkeitsreiter, zwei Tierärzte und ein Landwirt, ebenfalls auf dicken deutschen Warmblütern, eine Bronze- (Dr. Wilhem Büsing, Einzel) und eine Silbermedaille (Mannschaft), und das in einer Sparte der Reiterei, die damals wie heute nun wirklich hoch im Blut stehende Pferde erfordert. Alle drei Pferde waren Hannoveraner ohne hohen Blutanteil.

Angesichts der Umstände eine echte Sensation, aber seien wir dankbar, dass die Vielseitigkeit ein vom nicht-fachkundigen Publikum unbeachteter Nischensport war, sonst wäre dem SPIEGEL sicher noch die eine oder andere auflagenstärkende Widerwärtigkeit eingefallen.

Dr. Wilhelm Büsing, Bauernsohn aus Oldenburg, auf Hubertus in Helsinki auf dem Weg zur Bronzemedaille. Der Wallach wurde später erfolgreich bis zur S-Dressur gefördert. Dr. Büsing wurde 1945 mit einer Arbeit über das Oldenburger Pferd promoviert. Er gab mit 70 seine Praxis auf und widmete sich nur noch der Pferdezucht. Vor zwei Jahren konnte er bei bester Gesundheit seinen 95sten Geburtstag feiern.

Der gebürtige Ostpreuße Dr. Otto Rothe auf Trux von Kamax in Helsinki. Sein Vater, Karl Rothe-Samonienen, war der Züchter der Dressur-Olympiapferde Kronos und Absinth, Gold- bzw. Silbermedaille in der Einzelwertung und Mannschaftsgold in Berlin 1936. Otto Rothe kam als Veterinäroffizier der Bundeswehr durch einen Unfall bei einem Manöver in Bad Reichenhall 1970 um's Leben.

Klaus Wagner, Gutsbesitzer und Pferdezüchter aus Niedersachsen, auf Dachs (Ort und Datum unbekannt). Wagner war viermal Mitglied der deutschen Olympiamannschaft der Vielseitigkeit, 1972 in München mit 50 Jahren zum fünften Mal als Reserve. Klaus Wagner starb 2001.
4 Jahre später konnte die deutsche Springreiterequipe in Stockholm sowohl die Einzel- als auch die Mannschaftsgoldmedaille gewinnen. Zwei der drei Pferde waren "schwere, dicke Warmblüter", eines, die legendäre Halla, eine Traberkreuzung.

Der deutschen Equipe wird ihre Goldmedaille von Avery Brundage überreicht. VLNR der holsteiner Bauer Fritz Thiedemann mit dem Holsteiner Meteor, der de-facto Berufsreiter Hans-Günther Winkler mit der Traberkreuzung Halla, der erst 26jährige westfälische Bauernsohn Alfons Lütke-Westhues mit der Westfälin Ala. Die enorme Bemuskelung und Kondition dieser Stute war der Tatsache geschuldet, dass sie, wie ihr Mannschaftskamerad Meteor-Moritz, bis zu ihrer Entdeckung vor Pflug und Wagen gegangen war.
In der Vielseitigkeit, damals in Deutschland in Erinnerung an die Offizierssport-Tradition noch nostalgisch "Military" genannt, konnten die Deutschen, ebenfalls wie in Helsinki mit dicken, schweren Warmblütern ohne nennenswerten Blutanteil, und auch wieder Hannoveraner, beritten, an die Erfolge von Helsinki anknüpfen und diese sogar mit der Mannschafts- und einer Einzel-Silbermedaille übertreffen. Sie hatten sich damit, wie schon in Helsinki 1952, gegen die angelsächsischen Reiternationen und andere, die auf Blutpferde aus England und Irland zurückgriffen, mehr als tapfer geschlagen.

VLNR der westfälische Bauernsohn August Lütke-Westhues mit Trux von Kamax (Einzel-Silbermedaille), der Gutsbesitzer Klaus Wagner aus Niedersachsen mit Prinzeß (im Pedigree der Stute kam erst nach vier Generationen Vollblut vor) und der Tierarzt Dr. Otto Rothe mit Sissi.

Übrigens griffen selbst Reiter aus Nationen, denen traditionell eigene indigene Blutpferde zur Verfügung standen, auch schon mal auf dicke, schwere deutsche Warmblüter zurück.

Der Spanier Francisco Goyoaga, erster Weltmeister der Springreiter 1953, hier in Stockholm 1956. Wochen später wurde er mit diesem Pferd Vizeweltmeister in Aachen, 1957 gewann er mit ihm die Großen Preise von Aachen und Genf. Es hieß Fahnenkönig und war ein Hannoveraner ohne nennenswerten Blutanteil. Wahrscheinlich konnte sich der Juwelier aus einer alten Reiterfamilie nichts Besseres leisten.
Und um das Ganze zu einem guten Ende zu bringen, hier ein Bild aus der ruhmreichen Vergangenheit der deutschen Springreiterei, als noch nicht irgendwelche Bauernlümmel auf eben mal ausgespannten Ackergäulen, sondern Offiziere und Herren auf edlen Blutpferden...

Es war nicht ganz so.

Ja, die erfolgreichen Nationenpreisreiter der 1930er Jahre waren allesamt Offiziere der Kavallerieschule Hannover, hier in Berlin 1933. VLNR Equipechef Wolfgang Freiherr von Waldenfels, Richard Sahla, Hermann Freiherr von Nagel-Itlingen, Heinz Brandt und Harald Momm. Aber beritten waren auch sie (meist) auf... Sie ahnen es und dieses Bild zeigt es - dicken, schweren Warmblütern.


Ein Einzelfall?

Nicht wirklich. Hier ist eine weitere schöne Ramsnasenparade.

Equipechef Freiherr von Waldenfels ist hier mit Harald Momms Baccarat beritten. Der Wallach war allerdings kein dickes, schweres deutsches Warmblut, sondern ein englisches Halbblut unbekannter Herkunft. Es kostete Momm (hier mehr über ihn) einige Anstrengungen, um diese Tatsache während der 1000 Jahre nicht allzu bekannt werden zu lassen.

IN YOUR FACE SPIEGEL!

Ich war kaum geboren, als dieser Artikel erschien, aber spätere SPIEGEL-Ergüsse über den Reitsport haben mich schon als halbes Kind denken lassen, dass, wer bei einem Thema unredlich ist, es vermutlich auch bei anderen ist, deren Inhalt man mangels Hintergrundwissens nicht beurteilen kann.

Einmal ein Drecksblatt, immer ein Drecksblatt.

(17.03.2018)

Herzlichen Glückwunsch!

Die wunderbare Christa Ludwig ist gestern 90 geworden.

Herzliche Glückwünsche!

Ob sie wohl gefürchtet hat, dass diese Rolle für einen dramatischen Sopran ihrer herrlichen lyrischen Mezzo-Stimme schaden könne? Falls ja, hat sie sich darüber hinweggesetzt und uns dieses Erlebnis beschert.

Danke Christa!



Und hier noch einmal die Sängerin in einem anderen Fach mit einem der schönsten Werke des romantischen Kunstliedrepertoires. Um es auf Neudeutsch zu sagen: Schumann meets Eichendorff!

Nochmals Danke!


(17.03.2018)

Liebe bis in den eiskalten Tod

Ein von mir geschätzter katholischer Publizist thematisierte vor einiger Zeit auf seiner Seite, dass Fernsehserien seit Langem eines der wichtigsten Instrumente des ideologischen Kampfes gegen Ehe und Familie seien. Das ist richtig. Aber "seit Langem" ist nicht lange genug.

Kulturelle Referenzen auf diesen Niedergang tauchen schon auf, weit bevor das Fernsehen seine heutige Bedeutung erlangt hatte und sind immer ein Indikator für das, was dann viel später als drängendes gesellschaftliches Problem wahrgenommen wird.

Case in point: Eine, im Übrigen gut gemachte, "Titanic"-Verfilmung von 1953(!), die mich nachgerade geschockt zurückließ.

Der Nebenhandlungsstrang dreht sich um die Eheprobleme eines Passagierpaars. In Wut offenbart die Protagonistin, dass ihr vom Ehemann tief geliebter Sohn nicht sein biologischer Sohn, sondern die Frucht eines, wie man heute sagen würde, "one night stands" ist, zu dem sie sich veranlasst sah, weil ihr Mann ihr nicht - ja wirklich! - GENUG KOMPLIMENTE GEMACHT HATTE. Der dramaturgische Aufbau des Films lässt in keiner Weise Missbilligung für den Akt an sich, noch für das dem Mann gegenüber ebenso grausame wie unnötige Mitteilungsbedürfnis erkennen - im Gegenteil. Am Schluss gehen Vater und Sohn, wie es sich gehört, mit dem Schiff unter, während Mutter und Tochter wohlfrisiert im Rettungsboot sitzen.

Das mag der Filmästhetik der Fünfziger Jahre geschuldet sein, aber es ist ein Indiz für eine Grundhaltung. 

Und wir wundern uns heute über eine Abomination wie den Feminismus.

Es ist, trotz allem, die beste Titanic-Verfilmung von den drei oder vier, die ich kenne, gute Besetzung, spannender Handlungsaufbau. Der kurze Clip vom Filmende zeigt durchaus ergreifend die Angst und Hoffnungslosigkeit in den Gesichtern der jungen und alten Männer, die offenbar werdende Qual des schlechten Gewissens im Antlitz des Kapitäns in seinen letzten Momenten. Auch die zeitgeschichtlichen Referenzen sind interessant, selbstverständlich die der Klassenunterschiede, allerdings auch eher bizarr, wie die der selbstgerechten Gattin, die ihr Töchterchen im "sauberen" Amerika und nicht im "Sumpf" der europäischen Oberschicht aufwachsen sehen möchte. Je nach Geschmack erheiternd oder ärgerlich.

Auf YouTube steht der ganze Film, er lohnt sich.

P.S. Wenn in dieser erschütternden Schluss-Szene auch Frauen zu sehen sind, waren das Krankenschwestern, die ihrer Pflicht folgten, und Mrs. Ida Straus, die, das ist historisch akkurat, freiwillig bei ihrem Mann geblieben ist. Die Szenen des Schicksals von Ida und Isidor Straus wurden übrigens aus James Camerons Titanic-Verfilmung von 1997 herausgeschnitten.

832 Passagiere gingen mit der Titanic unter, 63 Prozent.
39 Prozent waren Passagiere der 1. Klasse.
58 Prozent waren Passagiere der Standard-Klasse.
76 Prozent waren Passagiere der 3. Klasse.
80 Prozent der männnlichen Passagiere gingen mit der Titanic unter, 25 Prozent der Frauen.

Die Männer in der 1. Klasse hatten eine Ein-Drittel-Chance zu überleben, verglichen mit den Frauen, selbst mit denen aus der 3. Klasse, kamen sie schlecht weg. Viele der Männer der 1. Klasse, die die Rettungsboote auf der Steuerbordseite hätten benutzen können, zogen es vor, zurückzubleiben.

Eine Geschichte aus dem Erzgebirge

Zum Ausklang des Winters ein verschneiter Gruß aus dem Erzgebirge über einen großen Sohn der Region.

Anton Günther kam als Sohn des Weißwarenstickers und Zeichners Johann Günther, der 1873 nach einem verheerenden Stadtbrand vom nahen Joachimsthal in sein Vaterhaus zurückgezogen war und seinen Bergmannberuf aufgegeben hatte, am 5. Juni 1876 in Gottesgab zur Welt, wo er auch seine Kindheit verbrachte.

Da sein Vater durch Musizieren zu seinem kargen Gehalt dazuverdiente, wurde auch der Sohn schon früh an Gesang und Liedgut seiner Heimat herangeführt. Seine Schulbildung erhielt er in der Bürgerschule in St. Joachimsthal. Anton Günther war eines von sieben Kindern.

Ursprünglich wollte er Förster werden, aber sein Zeichentalent und die Sorge um die Familie führten ihn zur Lehre bei dem Lithografen Ed. Schmidt im sächsischen Buchholz. Nach nur drei Jahren wurde er freigesprochen. Weiter zog es ihn ab 1895 nach Prag an die KuK Hoflithographie-Anstalt A. Haase. Mit anderen Gottesgabern und böhmischen Erzgebirglern, traf er sich regelmäßig zum "Guttsgewer Obnd" (Gottesgaber Abend). Für eines dieser Treffen, bei dem auch zur Gitarre Lieder aus der Heimat gesungen wurden, verfasste Anton Günther 1895 eines seiner bekanntesten Lieder, "Drham is’ drham". Die große Resonanz darauf, führte zu einer neuen Idee. Statt den Text zum Weitergeben immer wieder abzuschreiben, zeichnete er ihn 1895 auf Lithographie-Stein und ließ ihn als Postkarte drucken.

Nach dem Tod seines Vaters 1901 kehrte Günther in sein Elternhaus in Gottesgab zurück und musste sich um Mutter und vor allem die Geschwister kümmern. Die geerbte kleine Landwirtschaft reichte nicht zum Leben, darum ergänzte Anton Günther seine Einkünfte, wie schon sein Vater, mit Auftritten als Sänger und Musiker, außerdem verkaufte er seine Liedpostkarten im Selbstverlag.

Am 9. Juli 1908 heiratete Anton Günther in Gottesgab Marie Zettl (1886–1958), die Tochter des beim Keilberghausbau federführenden Zimmermanns. Der Ehe entstammen drei in Gottesgab geborene Kinder.

Das Erzgebirge wurde damals zunehmend beliebt als Urlaubs- und Kurregion. Gaststätten und Vereine luden Günther zu Unterhaltungsabenden vor allem ins sächsische Erzgebirge ein. Der Erfolg war groß. Einen nicht unwesentlichen Teil der Einnahmen brachte Günther 1911 in eine Stiftung ein, die Kranke, Alte und Arme in seinem Heimatort unterstützte. Sie hieß Tolerhans-Tonl-Stiftung.

Anton Günther 1914 als KuK Landsturmmannn
Den Ersten Weltkrieg erlebte Anton Günther als österreichischer Soldat an der serbischen Front von Anfang an. Durch eine Verletzung verbrachte er einige Zeit in einem Lazarett in Komotau. Anschließend wurde er zum Kriegshilfsdienst abkommandiert. Im Herbst des Jahres 1918 kehrte der Sänger nach Gottesgab zurück. Einer seiner Brüder, Julius, überlebte den Krieg nicht, und Anton Günther unterstützte nun auch die Familie seines Bruders.

Die Entstehung der Tschechoslowakei brachte mit sich, dass die Verhältnisse der nationalen Minderheiten für diese nachteilig geregelt wurden. Dies verletzte den heimatverbundenen Künstler sehr und wurde auch Gegenstand seiner Lieder. Bereits 1908 hatte er auf die sich schon damals abzeichnenden nationalen Spannungen mit dem Liedtext "Deitsch on frei wolln mer sei!" geantwortet.

Auch nach dem Krieg blieb der Sänger Anton Günther beliebt. Es gab Engagements in Berlin, Wien und Dresden. Sehr erfolgreich waren Schellack-Schallplatten, auf denen er sich selbst auf der Gitarre begleitete.

Boží Dar heute.
Eine besondere Würdigung seines Schaffens erfuhr er am 5. Juni 1936 zu seinem 60. Geburtstag. Höhepunkt war die Einweihung des noch heute erhaltenen Gedenksteins auf dem Marktplatz von Gottesgab. In der Nazizeit ließ der Volkssänger sich von den Nationalsozialisten trotz deren Werbens nicht vereinnahmen.

Am 29. April 1937 nahm sich Anton Günther das Leben.

Gottesgab heißt heute Boží Dar, was dasselbe bedeutet.

Eine westfälische Legende

Die jagdkynologischen Informationen über Friedrich von Schorlemer-Alst im Internet sind spärlich und widersprüchlich. Wir bedanken uns daher ganz herzlich bei Reinhard Freiherr von Schorlemer. Baron Schorlemer hat mit seinen Informationen wesentlich zur Entstehung dieses Artikels beigetragen und auch dieses Bild zur Verfügung gestellt.
Friedrich Antonius Aloysius Mamertus Hubertus Maria Freiherr von Schorlemer-Alst (1854 - 1934) gilt als "Vater" des Deutsch Langhaarigen Vorstehhundes. Alljährlich veranstaltet der Deutsch-Langhaar-Verband die nach ihm benannte Schorlemer-Herbstzuchtprüfung.

Noch heute erinnert man sich in der Familie an ihn als begeisterten Jäger und Hundemann und so war er auch neben seinen anderen Interessen und Ämtern Vorstandsmitglied des Deutschen Jagdschutzvereins.

Friedrich von Schorlemer-Alst entstammte dem westfälischen Uradelsgeschlecht Schorlemer. Seine Eltern waren Burghard von Schorlemer-Alst und Anna Freiin von Imbsen, verwitwete Gräfin Droste zu Vischering, und hier beginnt ein spannender Ausflug in die Geschichte Westfalens.

Burghard Freiherr von Schorlemer-Alst (1825 - 1895) war der Gründer des "Westfälischen Bauernvereins", Initiator der ländlichen Genossenschaftsbewegung in Westfalen und damit einer der Wegbereiter bäuerlicher Interessen über Westfalen hinaus. Bei aller politischen Neutralität des Bauernvereins, war Schorlemer-Alst eine politische Kämpfernatur. Als Vorsitzender der Zentrumspartei im Preußischen Landtag und Reichstagsabgeordneter, war er während des preußischen Kulturkampfs ein exponierter Gegner Bismarcks.

Landrat von Schorlemer zu Pferde.
Friedrichs Onkel Wilhelm (1821 - 1884) war preußischer Offizier, Landrat und Politiker der Zentrumspartei. Im Zuge des preußischen Kulturkampfs beantragte er 1875 die Entlassung aus dem Staatsdienst.

Der Spannungen zwischen der katholischen Familie Schorlemer (und anderer adliger katholischer Familien Westfalens) und der preußischen Obrigkeit ist ein prägender Teil der Geschichte des Landes, das nach dem Wiener Kongress 1815 preußische Provinz wurde.

Nach dem Abitur am 24. März 1874 am Gymnasium Rheine studierte Friedrich von Schorlemer zunächst an der Akademie Münster Philosophie und an den Universitäten Würzburg und Göttingen Jura. Im Juli 1878 legte er die Prüfung zum Gerichtsreferendar beim Appellationsgericht in Köln ab und erhielt eine Anstellung am Kreisgericht Burgsteinfurt.

Am 8. April 1880 heiratete er in Münster Wilhelmine von Hartmann. Die Ehe blieb kinderlos.
Bevor er 1896 zum Landrat von Ahaus ernannt wurde, war er in der Verwaltung mehrerer großer Güter tätig. Seine landwirtschaftlichen Interessen verband er mit Auslandsreisen, z.B. nach Spanien, Italien, England, Frankreich, Österreich, Ungarn und Russland. Bei Erreichen der Altersgrenze wurde er 1920 aus dem Staatsdienst entlassen.
 
Haus Alst bei Horstmar, das von 1852 bis 1935 im Besitz der Familie Schorlemer war.
Eine weitere wichtige politische Funktion war seine Mitgliedschaft im westfälischen Provinziallandtag. Provinziallandtage wurden in Preußen 1875 gebildet. Sie waren mit eigenen Finanzen und eigenem Aufgabenkreis (Staatschausseen, Sozialfürsorge, Melioration, Förderung von Wissenschaft und Kunst, Wohnungs- und Siedlungswesen) Körperschaften des Öffentlichen Rechts. Auch trug die Tatsache, dass sie öffentlich tagten, zu ihrem Ansehen und ihrer Wirkung bei.

Zu Friedrichs Funktionen und Ehrungen gehörten die Mitgliedschaft im landwirtschaftlichen Verein der Provinz Westfalen, die Vorstandsmitgliedschaft im westfälischen Bauernverein und der im Deutschen Jagdschutzverein. Er war Vorsitzender des Pferdezuchtvereins für das nördliche Münsterland, Direktor des landwirtschaftlichen Kreisvereins Ahaus, Aufsichtsratsmitglied des Elektrizitätswerks Westfalen, Aufsichtsratsmitglied der Westfälischen Landeseisenbahngesellschaft, Träger des Roter Adlerordens IV. Klasse und des Kronenordens III. Klasse, des Eisernen Kreuzes II. Klasse am weiß-schwarzen Band, Geheimer Regierungsrat, preußischer Kammerherr; Mitglied des Malteser-Ordens und päpstlich Geheimer Kämmerer.

"Chien Couchant A Poil Raz."  Lithographie nach J. Volmar, ca 1860.
In Jägerkreisen ist er als die wahrscheinlich einflussreichste Persönlichkeit bei der Entstehung des Deutsch Langhaars, wie wir ihn heute kennen, bekannt. Dessen Vorfahren, die dem heutigen Typ schon recht ähnlich sehen, kann man schon auf alten Jagdgemälden und Gobelins aus dem späten Mittelalter bewundern. Diese Hunde wurden überwiegend als Vogelhunde für die Beizjagd, aber auch für das "Tirassieren", dem Fang von Niederwild in Netzen, eingesetzt. Eine Vielfalt von Schlägen war an ihrer Entstehung beteiligt. Mit der Entwicklung leichterer Schusswaffen, die das Erlegen von Flugwild erlaubten, fand eine verstärkte Selektion der Hunde auf ihre Vorsteheigenschaften statt. Die Franzosen entwickelten den "chien couchant", den "liegenden Hund", Épagneuls genannt. Aus ihm entwickelten die Engländer den Setter. Beide Rassen sind an der Entstehung des Deutsch Langhaar beteiligt.

Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass ein einheitlicher Rassestandard Not tat, und so trafen sich 1879 in Hannover während einer Ausstellung, die vom Vereins zur Veredelung der Hunderassen veranstaltet wurde, einflussreiche Kynologen, um einen solchen Standard festzulegen.

1893, nur einige Jahre nach Beginn der Reinzucht der Rasse Deutsch Langhaar, gründete Friedrich von Schorlemer-Alst den Club Langhaar, dessen Aktivitäten sich allerdings im Wesentlichen auf Westfalen und das Rheinland beschränkten. 1897 wurde als Reaktion darauf der überregionale Verein Deutsch-Langhaar gegründet. Dank des Einsatzes des passionierten Langhaar- und Jagdgebrauchshundemannes Schorlemer und seiner Mitstreiter, nahmen Zucht und Verbreitung der Rasse, von Westfalen ausgehend, stetigen Aufschwung. Mit entscheidend dabei dürfte auch die von Schorlemer initiierte Einführung von Gebrauchsprüfungen gewesen sein. Immer hat er die Bedeutung der Leistung betont, die nicht zugunsten des Typs vernachlässigt werden dürfe. Bereits vor dem Jahr 1933 schon gab es beim Club Langhaar 100 geschützte DL-Zwinger. Der Deutsch-Langhaar-Verband wurde als Dachverband erst im Jahre 1926 gegründet.

Der Deutsch Langhaar gilt als der klassische Försterhund.