Linke waren eigentlich Nazis - Ein Beispiel

Bundesarchiv, Bild 146-2003-0037/
CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de.
Zum 74. Todestag von Erich Ohser.

Wer war Erich Ohser?

Kurt Erich Ohser wurde am 18. März 1903 in Untergettengrün, Amtshauptmannschaft Oelsnitz im Vogtland geboren.

Als Erich sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Plauen. Dort absolvierte er eine Schlosserlehre und studierte anschließend, gegen den Willen der Eltern, von 1921 bis 1926 in Leipzig an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe. Nebenbei arbeitete er bei der Neuen Leipziger Zeitung, wo er von seinem Redakteur Erich Knauf mit Erich Kästner bekannt gemacht wurde.

Die Freundschaft der "Drei Erichs" begann.

Nach dem Studium wurde Ohser als Buchillustrator (unter anderem illustrierte er die Gedichtbände Kästners) und als Karikaturist (etwa bei der SPD-Zeitung "Vorwärts") bekannt. Mit seinen Karikaturen von Hitler und Goebbels zog er den Hass der Nazis auf sich. Gemeinsam mit Kästner ging er auf Reisen nach Paris, Moskau und Leningrad, die ihn in Bezug auf den Kommunismus desillusioniert zurückließen. 1930 heiratete er seine Studienkollegin Marigard Bantzer, der gemeinsame Sohn Christian kam im Jahr darauf zur Welt.

Die Machtübernahme bedeutete das Aus für den politischen Zeichner Ohser. Sein Antrag auf Aufnahme in die Reichspressekammer wurde abgelehnt, was einem Berufsverbot gleichkam. Von da an musste seine Frau die Familie ernähren. Ende 1934 bewarb sich Ohser bei der Berliner Illustrirten Zeitung, die einen Comic – ähnlich der Micky Maus – suchte, mit einem Entwurf von Vater und Sohn. Ohser durfte nicht unter seinem Namen veröffentlichen, er erhielt erst den Zuschlag, nachdem er sich das Pseudonym e.o.plauen (seine Initialen und der Name seiner Heimatstadt) zugelegt hatte, und unter der Auflage, sich nicht politisch zu betätigen. Im Dezember 1934 kam die erste Bildergeschichte von "Vater und Sohn" heraus, die dann drei Jahre lang wöchentlich in dieser angesehenen und auflagenstarken Zeitschrift erschien. Der Verlag veröffentlichte auch drei Buchausgaben, die sämtlich erfolgreich waren. Danach durfte Erich Ohser weiter arbeiten und wurde 1940 Mitarbeiter der Wochenzeitschrift "Das Reich".

Erich Ohser mit Sohn Christian (picture-alliance / dpa/rf).








Dann kam der Krieg. Wie ging es weiter?

"Ein Nachbar denunzierte Ohser ... im März 1944, die nationalsozialistische Geheime Staatspolizei ... verhaftete ihn zusammen mit seinem Freund Erich Knauf. Sie wurden der "Wehrkraftzersetzung und landesverräterischen Feindbegünstigung" beschuldigt." (Elke Schulze, Ein deutsches Künstlerschicksal: e.o.plauen)

Hans Fallada schreibt in einem Gefängnistagebuch über e.o.plauen, mit dem er befreundet war. Als Fußnote des Herausgebers heißt es: "Erich Ohser und sein Freund Erich Knauf wurden von dem Hauptmann Bruno Schultz und dessen Frau Margarete bei der Gestapo denunziert." (Hans Fallada: In meinem fremden Land, Berlin 2017, S. 314f.)

Exkurs über Erich Knauf:
Nach der Machtergreifung und der Gleichschaltung der Büchergilde 1933 arbeitete Knauf als freier Schriftsteller und Feuilletonredakteur beim 8-Uhr-Abendblatt. Nach einer Kritik über eine Opernaufführung, die von Hermann Göring protegiert worden war, wurde er 1934 verhaftet, für einige Wochen in den Konzentrationslagern Oranienburg und Lichtenburg inhaftiert und aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausgeschlossen.

Knauf war daraufhin freiberuflich in der Werbung tätig und wurde 1936 zunächst zweiter Pressesprecher, dann Pressechef der Filmproduktionsgesellschaft Terra Film. Hier betreute er vor allem Produktionen mit Heinz Rühmann. Er konnte sich vom Kriegsdienst freistellen lassen und schrieb ab 1941 Texte für Schlager von Werner Bochmann. Das bekannteste ist "Heimat, deine Sterne" aus dem Film "Quax, der Bruchpilot". In den 1930er Jahren hatte Knauf eine Biografie über Heinrich Zille geschrieben, die erst 2015 veröffentlicht wurde.

Im November 1943 wurde der ausgebombte Knauf in Wilmersdorf zusammen mit Erich Ohser bei einem Arzt untergebracht. In einem Luftschutzbunker während einer Bombennacht wurden sie von Bruno Schultz, einem Nachbarn und Hauptmann bei der Abteilung Wehrmachtpropaganda beim Oberkommando der Wehrmacht, wegen politischer Witze am 22. Februar 1944 denunziert. Knauf wurde am 28. März 1944 verhaftet und am 6. April 1944 von Roland Freisler am Volksgerichtshof "wegen defätistischer Äußerungen im Luftschutzkeller" zum Tode verurteilt. Heinz Rühmann setzte sich ohne Erfolg bei Joseph Goebbels für ihn ein. Knauf wurde am 2. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg enthauptet. Die der Witwe Erna Knauf in Rechnung gestellten Verfahrenskosten inklusive Hinrichtung betrugen 585,74 Reichsmark. Erich Kästner schrieb über diese Rechnung den kurzen Prosatext "Eine unbezahlte Rechnung".


1937 hatte Erich Ohser seine "Vater und Sohn"-Serie eingestellt. Es hieß, weil sich allzu viel andere Karikaturisten darüber lustig gemacht hätten. Was auch immer. Neid ist die Klammer der deutschen Gruppenseele und ein politisch Belasteter wird besser vorsichtig gewesen sein müssen. 



Vater und Sohn gingen in den Himmel. Von dort leuchteten sie, Vater als Mond und Sohn als Stern, auch weiter in unzählige Kindheiten und auch Erwachsenenleben hinein.

Sieben Jahre später folgte Erich Ohser ihnen. Er nahm sich in der Nacht vor seinem Prozess am Volksgerichtshof das Leben.

(6. April 2018)